Der Winter ist da – und wie sieht es mit der Streupflicht aus?

„Die Kommunen müssen nicht jede Straße streuen, aber belebte Kreuzungen. Vermieter können die Streupflicht delegieren, nicht jedoch allein auf den Mieter im Erdgeschoss. Private Stellplätze müssen nicht gestreut werden, bei öffentlich zugänglichen Parkplätzen vor Supermärkten gleichwohl die Hauptflächen“, erläutert Rechtsanwalt Ralf Schweigerer, Vorsitzender des Bonner AnwaltVereins. So ungefähr – aber auch ungenau – ließen sich die Rechtslage und die Rechtsprechung zusammenfassen.

Im Einzelnen zu den Kommunen

Landkreise müssen nicht jede Straße streuen. Daher müssen Autofahrer auf nächtlichen Kreisstraßen außerhalb geschlossener Ortschaften besonders vorsichtig sein, entschied das Landgericht Coburg am 6. Juli 2012 (AZ: 22 O 729/11). Grundsätzlich sei es in der Nacht aufgrund geringen Verkehrsaufkommens nicht zumutbar, sämtliche Verkehrswege zu streuen. In dem Fall hatte der Autofahrer das Tempo auf 70 km/h reduziert. Viel zu wenig, sodass in dem Fall eine Haftung von vornherein ausgeschlossen ist.

Anwohner selbst können nicht bestimmen, wie die Gemeinden ihrer Pflicht zur Straßenreinigung einschließlich Winterwartung nachkommen. Dies entschied das Verwaltungsgericht Aachen am 5. Januar 2011 (AZ: 6 L 539/10). Der Antragsteller wollte im Eilverfahren die Stadt verpflichten, die vor seinem Grundstück verlaufene Straße mit Salz oder einem Lavagemisch zu streuen. Das Gericht wies darauf hin, dass das Straßen- und Wegegesetz zwar den Gemeinden eine Reinigungspflicht für bestimmte Straßen auferlegt und sie zudem dazu anhält, bei Schnee- und Eisglätte zu räumen und zu streuen. Dieser Verpflichtung stehe jedoch kein einklagbarer Anspruch des Straßenbenutzers bzw. Anliegers auf ordnungsgemäße Erfüllung gegenüber. Auch sei hier keine konkrete Gefahr für Leib und Leben von Straßenbenutzern erkennbar gewesen.

Dass belebte Kreuzungen geräumt und gestreut werden müssen, entschied das Landgericht Magdeburg am 8. September 2010 (AZ: 10 O 458/10). Eine Fußgängerin wollte eine mit Ampeln versehene Kreuzung überqueren. Die Straße selbst war gestreut, der Übergang sei dagegen völlig vereist und mit Trittspuren versehen. Die Frau stürzte und verletzte sich am Ellenbogen. Sie musste zwei Wochen stationär im Krankenhaus behandelt werden.

Die Stadt musste die Kosten zu 50 % übernehmen. Die Richter stellten fest, dass die Stadt ihre Streu- bzw. Räumpflicht nicht ausreichend erfüllt habe. Zwar müsse die Stadt nicht alle

Straßen und Wege räumen und streuen. Allerdings müssten verkehrswesentliche Kreuzungen mit lebhaftem Fußgängerverkehr so gestreut werden, dass Bürgersteige und Kreuzungsbereiche gefahrlos benutzt werden können.

Zur Streupflicht von Anrainern

Vermieter sind verpflichtet, bei Glätte für einen sicheren Zugang zum Haus zu sorgen. Sie können ihre Streupflicht aber auf andere übertragen. Diese Vereinbarung ist auch dann gültig, wenn die Übertragung nicht der Stadt mitgeteilt worden ist, wie es in einigen Regionen Pflicht ist. Stürzt ein Mieter, kann er von demjenigen, dem die Streupflicht übertragen worden ist, Schadensersatz verlangen. Dies hat der Bundesgerichtshof am 22. Januar 2008 (AZ: VI ZR 126/07) entschieden. Grundsätzlich sollte sich der Vermieter allerdings nicht von seiner Pflicht in Gänze befreien.

So kann er beispielsweise nicht allein die Mieter im Erdgeschoss zum Winterdienst verpflichten. Eine solche Verpflichtung einzelner Mieter, im Rahmen eines Mietvertrages den Winterdienst vor dem Haus zu leisten, ist eine unangemessene Benachteiligung. Daher wird diese Verpflichtung nicht Bestandteil des Mietvertrages. Dies hat das Amtsgericht Köln am 14. September 2011 (AZ: 221 C 170/11) entschieden.

Private und öffentliche Parkplätze

Der Vermieter von Pkw-Stellplätzen muss diese nicht von Schnee und Eis beräumen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich um einen kleinen, wenig frequentierten und nahe der Straße gelegenen Platz handelt, entschied das Oberlandesgericht Köln am 19. Mai 2008 (AZ: I-24 U 161/07).

Gleichzeitig hat das Gericht auch festgestellt, dass bei öffentlichen Parkplätzen, wie etwa an Supermärkten, eine Streupflicht dann bestehe, wenn diese sehr groß und stark frequentiert seien. Bei einem kleinen und ruhigen Privatparkplatz könne man von den Nutzern erwarten, dass sie sich auf Schnee und Eis einstellen und sich für den kurzen Weg über den Parkplatz entsprechend ausrüsteten.

Ähnlich äußerte sich auch das Landgericht Coburg am 11. Mai 2011 (AZ: 13 O 678/10). Öffentliche Parkplätze müssten dann gestreut werden, wenn sie stark genutzt werden und die Autofahrer dort längere Wege zurücklegen müssten. Das Gericht hat aber auch betont, dass sich die Nutzer auch auf die Glätte einstellen müssten.

Ein bisschen Eis darf schon sein, entscheid das Oberlandesgericht Kiel am 10. Januar 2012 (AZ: 5 U 1418/11). Kundenparkplätze müssen aber großflächig eis- und schneefrei sein, damit sie möglichst gefahrlos benutzt werden können. Der Eigentümer ist jedoch nicht verpflichtet, jede kleine vereiste Stelle zu beseitigen.

Zum Thema Dachlatten

Grundsätzlich gilt, dass in schneearmen Gegenden die Vermieter nicht verpflichtet sind, an ihren Häusern Schneefanggitter anzubringen, teilt der Bonner AnwaltVerein mit.

So muss ein Vermieter von Parkplätzen in schneearmen Gegenden am Dach keine Schneefanggitter zum Schutz der Pkw vor Dachlawinen anbringen. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass der Vermieter über dem Eingang an dem Haus ein Schneefanggitter angebracht habe. Damit habe er mehr getan, als er hätte tun müssen, entschied das Oberlandesgericht Düsseldorf am 17. Februar 2012 (AZ: I-24 U 217/11).

Für eine Haftung der Mieter durch Schäden durch eine Dachlawine hat sich das Amtsgericht München am 29. November 2011 (AZ: 433 C 19170/11) ausgesprochen: Wird ein Fahrzeug durch eine Dachlawine beschädigt, haftet nicht zwingend der Vermieter des Hauses. Dieser kann die Verkehrssicherungspflichten auf den Mieter übertragen. Möglich ist dies auch bei einer Vermietung eines Hauses durch eine entsprechende Klausel im Mietvertrag.

In dem Fall war der Bekannte einer Mieterin einer Doppelhaushälfte mit deren Auto aus der Garage gefahren. In diesem Moment löste sich Eis und Schnee vom Dach oberhalb des Hauseingangs und fiel auf das Dach des Fahrzeugs. Dieses wurde großflächig eingedellt und der Kotflügel vorne rechts beschädigt. Der Schaden betrug rund 2.750 Euro. Das Gericht entschied, dass den Eigentümer der Doppelhaushälfte grundsätzlich die Verkehrssicherungspflicht treffe. Er habe sie aber vertraglich auf seine Mieterin übertragen. Nach dem Mietvertrag übernehmen die Mieter sämtliche öffentlich-rechtlichen Pflichten und privatrechtlichen Verkehrssicherungspflichten des Vermieters und Hauseigentümers. Zu beachten ist hier, dass es sich nicht um eine schneearme Gegend in Deutschland gehandelt habe.

Über den Bonner AnwaltVerein: Der Bonner AnwaltVerein nimmt seit über 100 Jahren die Interessen von derzeit ca. 1400 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten im Bezirk des Landgerichts Bonn gegenüber Gerichten und Behörden wahr, ist aber auch Ansprechpartner für rechtssuchende Bürger, indem er Rechtsanwälte sowie Anwaltsmediatoren vermittelt bzw. Bürgerinformationsforen organisiert.

Rechtsanwalt Ralf Schweigerer -Vorsitzender-
Bonner AnwaltVerein e.V. Wilhelmstr. 21

53111 Bonn
Tel: 0228-690271 www.bonner.anwaltverein.de

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